NRW-Finanzämter drohen der VVN-BdA mit Entzug der Gemeinnützigkeit

Wir dokumentieren an dieser Stelle die Pressemitteilung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (VVN-BdA) – NRW.

Anfang des Jahres, pünktlich zum Gedenktag für die Befreiung des KZ Auschwitz, drohten nordrhein-westfälische Finanzämter in einer konzertierten Aktion und in gleichlautenden Schreiben damit, dem Landesverband NRW der VVN-BdA sowie mehreren selbständigen Kreisvereinigungen  die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Und zwar dies rückwirkend.

Einzig aufgeführte Begründung ist die Erwähnung der VVN/BdA in einem Verfassungsschutzbericht, jenem des Landes Bayern. Es gibt nur noch dieses Land, dass die VVN-BdA im VS-Bericht aufführt; es ist jedoch auch dort damit nicht der Entzug der Gemeinnützigkeit verbunden. Nordrhein-Westfalen stünde mit dem Vorgehen gegen die VVN-BdA und dem Entzug der Gemeinnützigkeit einzigartig da. Die Regierung Laschet (CDU) hat offenbar den Anspruch, sich an die Spitze der politischen AntiAntifa zu stellen.

Als traditionsreiche und älteste Organisation  des deutschen
Widerstandes und der Naziopfer fordern wir die sofortige Einstellung
der gegen die VVN-BdA gerichteten Maßnahmen. Eine solche
konzertierte Aktion hat es in Nordrhein-Westfalen nicht einmal in
Zeiten des Kalten Krieges gegeben. In diesen Zeiten stand die VVN
zwar im Verfassungsschutzbericht, es wurde ihr aber nicht die
Gemeinnützigkeit entzogen.

Die VVN-BdA NRW e.V. kann auf mehr als 70 Jahre der kontinuierlich
geleisteten demokratische Erinnerungs- und Gedenkarbeit sowie der
Sozialarbeit für die Opfer des Nazismus zurückblicken.

Unsere Vereinigung wurde 1947 von den Überlebenden der
Konzentrationslager und Mitgliedern des Widerstandes gegen Faschismus
und Krieg, von Verfolgten und Holocaustüberlebenden, ehemaligen
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und aus der Emigration
Heimgekehrten gegründet. Darunter waren Vertreter aller
demokratischen Parteien, selbstverständlich auch die Kommunisten,
die lt. Institut für Zeitgeschichte 70 Prozent des politischen
Widerstandes geleistet haben.

Eine aus der Geschichte gezogene Lehre war und ist für unsere
Organisation, überparteilich und konfessionell ungebunden einen
antifaschistischen Grundkonsens zu verteidigen. In Artikel 139
Grundgesetz sind die alliierten Bestimmungen zum Verbot der NSDAP und
möglicher Nachfolgeorganisationen und -parteien eindeutig bestätigt.

Für dieses und andere Ziele, insbesondere für den Frieden, die
Völkerverständigung und die Hilfe für Geflüchtete und Verfolgte
setzt sich die VVN seit ihrer Gründung unermüdlich ein. Wir
arbeiten engagiert mit im Bundesverband Information und Beratung für
NS-Verfolgte, um auch heute noch für die soziale Betreuung der
Verfolgten und ihrer Hinterbliebenen zu sorgen.

Viele Mitglieder der VVN waren als Zeitzeugen in Schulen, bei
Veranstaltungen und auf Kundgebungen gegen Neonazi-Aufmärsche und
für den Frieden aktiv. Dies geschah bereits in einer Zeit, da in den
Regierungsparteien noch ehemals hohe Nazis mitwirkten.

Besonders erinnern möchten wir an Kaplan Dr. Josef Rossaint
(1902-1991), der als katholischer Jugendführer den Widerstand in
Düsseldorf und Oberhausen anführte und im weltweit beachteten
Katholikenprozess zu vielen Jahren Zuchthaus verurteilt wurde; er war
viele Jahre lang aktiv in der VVN NRW und war Präsident der
Bundesorganisation der VVN-BdA.

Die Ehrenvorsitzende der VVN-BdA ist Esther Bejarano, Überlebende
von Auschwitz, hochgeachtete Künstlerin.

Weltkirchenratspräsident Martin Niemöller war ein enger
Mitstreiter der VVN. Viele evangelische Geistliche waren Mitglieder
der VVN. An der Gründung der VVN in NRW war der Ministerpräsident
Rudolf Amelunxen beteiligt.

Zu den weiteren hochgeachteten Zeitzeugen aus unserer Organisation
gehörten u.a.:

  • Hans Frankenthal, Auschwitzüberlebender und Mitglied des VVN-Landesverbandes wie des Zentralrates der Juden in Deutschland
  • Jupp Angenfort und Karl Schabrod, ehemalige Mitglieder des Landtags NRW, Mitwirkende bei der Schaffung der Landesverfassung
  • Kurt Bachmann, Köln, politisch und rassisch Verfolgter, Auschwitzüberlebender,
  • Bruno Bachler, Duisburg, Edelweißpirat
  • Ernst Buschmann, ehem. Landtagsabgeordneter, Kommandeur im Kampf für die demokratische spanische Republik und Mitkämpfer der Resistance
  • Henny Dreifuss, Holocaustüberlebende und ehem. Widerstandskämpferin, Mitglied der Resistance, Düsseldorf
  • Fasia, Sängerin der Friedensbewegung, ehem. Häftling im KZ Neuengamme
  • Theo Gaudig, Essen, Überlebender von Buchenwald
  • Heinz Junge, Dortmund, Widerstandskämpfer und nach dem Krieg am Aufbau der Gedenkstättenarbeit in Dortmund beteiligt.
  • Hugo Paul, Minister der ersten NRW-Landesregierung
  • Max Reimann, Widerstandskämpfer, Mitglied des Parl.Rates zur Schaffung des Grundgesetzes
  • Klara Schabrod, Widerstandskämpferin, Düsseldorf
  • Maria Wachter, Widerstandskämpferin, Düsseldorf (in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf steht ihr Denkmal)

Unser Mitglied Alice Czyborra geb. Gingold hat als jüdisches Kind
im Versteck in Frankreich überlebt und ist bis heute als Zeitzeugin
aktiv. Angesehene Kommunalpolitiker und Gewerkschafter unseres
Bundeslandes wirken in der VVN-BdA mit.

Seit zehn Jahren arbeitet die Gruppe Kinder des Widerstandes mit
der VVN-BdA zusammen, um die Erinnerung an ihre Eltern wachzuhalten.

In den einzelnen Kreisverbänden wurde und wird von Überlebenden,
in Zusammenarbeit mit Antifaschisten der nachfolgenden Generationen,
die Auseinandersetzung mit den Ursachen von Faschismus und Krieg
geführt, Aufklärung über neofaschistische Strukturen und
Aktivitäten betrieben, werden Gedenkveranstaltungen für die Opfer
des Faschismus abgehalten; wird im Sinne der Losung ›Nie wieder
Faschismus – nie wieder Krieg‹ wertvolle ehrenamtliche Arbeit,
auch in örtlichen wie landesweiten Bündnissen, geleistet.
Unvergessen sind die Reden von VVN-BdA-Repräsentant/innen auf den
großen Kundgebungen der Friedensbewegung.

Wir rufen die demokratische Öffentlichkeit, vor allem die
Friedensbewegung und die Gewerkschaften  auf, das Vorgehen gegen
die VVN-BdA zu verurteilen und sie in ihrer Arbeit zu unterstützen.

Landesausschuss der VVN-BdA NRW
Oberhausen, den 25. Februar 2019



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