Rede der DKP in Torgau

Mehr als 200 Menschen forderten am vergangenen Samstag in Torgau „Abrüsten statt Aufrüsten! Frieden mit Russland!“. Anlass der Demonstration über die Elbe-Brücke war der 74. Jahrestag der Begegnung amerikanischer und sowjetischer Soldaten an der Elbe am 25. April 1945 und ihr Schwur „Friede auf ewig, nie wieder Krieg“. Wir dokumetieren an dieser Stelle die Rede der DKP.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Vor 74 Jahren und 2 Tagen trafen hier in Torgau US-amerikanische
Soldaten des 273. Infanterie-Regiments auf Rotarmisten des 175.
Garde-Schützen-Regiments. Mit diesem Zusammentreffen war der
militärische Sieg über die Wehrmacht und damit die Befreiung vom
Faschismus besiegelt. Wir verneigen uns vor allen Kräften, die zur
Befreiung der deutschen Nation und Europas vom Faschismus beigetragen
haben. Wir gedenken allen Soldaten – den regulären Truppen aller
Alliierten genauso wie allen Partisanenverbänden-, die in diesem
Befreiungskampf ihr Leben ließen. Wir vergessen aber auch einen
historischen Fakt nicht: den Fakt, dass es die Sowjetunion war, die
den größten Anteil am Sieg über den deutschen Faschismus hatte.
Ich sage bewusst: Sowjetunion – nicht Rote Armee; nicht weil ich
die heroische Leistung der Roten Armee herabwürdigen möchte,
sondern weil der militärische Sieg über den deutschen Faschismus
das Ergebnis des gemeinsamen Kampfes von Roter Armee, sowjetischen
Bürgerinnen und Bürger – und eben auch der Kommunistischen Partei
und ihrer politischen Führung in der Sowjetunion war. Es war diese
Sowjetunion, die nicht deutsche Faschisten, sondern alle reaktionären
herrschenden Kreise in Europa und Übersee als Hort der Barbarei
diffamierten, und daraus das Recht abzuleiten, das sowjetische Volk
zu unterwerfen wie andere Völker in Südamerika, Afrika und Asien.
Es war ausgerechnet diese Sowjetunion mit ihrer Roten Armee, die
Europa vor der Barbarei – der faschistischen Barbarei – rettete.
In diesem Sinne gehört die Sowjetunion zu den größten Verteidigern
der Zivilisation in Europa – und dieses Land und seine Bürger
waren zu diesem Kampf um die Zivilisation in Europa bereit, obwohl
dem barbarischen Vernichtungskrieg der Wehrmacht 27 Millionen
Sowjetbürgerinnen und -bürger zum Opfer fielen. Welche tiefe Wunden
dieser Vernichtungskrieg noch heute in der russischen Gesellschaft
hinterlassen hat, kann man nur erahnen, wenn man sich vor Augen
führt, dass jede russische Familie in diesem Krieg Opfer in ihren
Reihen zu beklagen hatte. Was wir heute aber wissen sollten in Europa
und Deutschland und was wir den Herrschenden in Berlin um die Ohren
hauen sollten, ist folgende Gewissheit: Das Eintreten für Frieden
aufgrund der eigenen historischen Erfahrungen ist eine
Grundkoordinate der russischen Nation – und unsere Antwort in in
Deutschland kann darauf nur sein: Von deutschem Boden darf nie wieder
Krieg ausgehen!

Liebe Friedensfreunde,

74 Jahre nach dem Elbe Day erleben wir wie im Staatssender ZDF –
den wir mit unseren Rundfunkgebühren mitfinanzieren – ein
Moderator folgende Durchsage macht:

„Guten Abend,

zu Wasser und zu Luft sind heute Nacht amerikanische, deutsche und
andere europäische Verbündete unterwegs nach Estland, um die die
russischen Verbände zurückzuschlagen, die sich dort (…)
festgesetzt haben.“

Ihr habt richtig verstanden: Ein ZDF-Moderator, Claus Kleber ist
sein Name, sagt zur besten Sendezeit allen Ernstes den Ausbruch des
Dritten Weltkrieges zwischen der NATO und Russland durch –
natürlich, um die Meldung im nächsten Moment zu dementieren – aber
mit dem Zusatz, dass Russland zu dieser Aggression jederzeit bereit
sei.

Liebe Friedensfreunde, ich frage: Wo leben wir 74 Jahre nach dem
Elbe Day?

Wir leben in einem Land, in dem Journalisten ihrer antirussischen
Hetze freien Lauf lassen können – einer Hetze die Teil einer
Kriegsführung ist – in diesem Fall einer psychologischen – mit
dem Ziel, uns Russland (und China) als Feindbild einzutrichtern.

74 Jahre nach dem Elbe Day erleben wir, wie die USA den
INF-Abrüstungsvertrag über die Stationierung von nukleare
Mittelstreckenraketen mit Russland aufkündigt – und der deutsche
Außenminister – das NATO-Strichmännchen – hat nichts besseres
zu tun, als diesen Aggressionsakt und damit die wachsende Gefahr
eines Atomkrieges in Europa zu unterstützen.

Wir erleben 74 Jahre nach dem Elbe Day, dass die Bundesregierung
den Verteidigungsetat – richtig: Kriegsetat – innerhalb eines
Jahres um 5 Milliarden Euro erhöht. Dabei ist das Ende der
Aufrüstung laut NATO-Kriterien noch lange nicht erreicht: Auf bis zu
80 Milliarden Euro soll der Kriegsetat erhöht werden, während
mittlerweile fast jeder Fünfte in Deutschland arm ist, während in
Krankenhäusern der Pflegenotstand vorherrscht und eine
Normalverdiener-Familie mit Kindern in deutschen Großstädten
aufgrund der Mietenexplosion von Armut bedroht sieht.

74 Jahre nach dem Elbe Day müsst Ihr hier in Sachsen und wir in
Brandenburg mehrmals im Jahr erleben, wie US-Panzer gen Osten rollen
und eine EU die Straßen für die NATO panzertauglich macht – also
die EU, die uns derzeit auf jedem zweiten Wahlplakat als
Friedensprojekt verkauft wird von den Kriegstreiberparteien.

Und, liebe Friedensfreunde, nicht zuletzt: 74 Jahre nach dem Elbe
Day, 70 Jahre nach der Gründung des ersten deutschen Friedensstaates
sind deutsche Soldaten als Teil der NATO wieder an der Grenze
Russlands aufmarschiert.

Wenn wir uns diese besorgniserregende Entwicklung vor Augen
führen, muss uns klar sein: Diese NATO – dieses Kriegsbündnis der
führenden imperialistischen Länder auf der Welt – ist zu jeder
Lüge, zu jedem Verbrechen und jedem Krieg bereit, wenn es darum
geht, alle Kräfte zu zerschlagen die wie Russland und China in der
Lage sind, sich ihrem Vormarsch in den Weg zu stellen – ein
Vormarsch, um den ungehinderten Zugriff auf Rohstoffe, Absatzmärkte
und billige Arbeitskräfte zu sichern, ein Vormarsch um eine
Gesellschaftsordnung mit Namen Imperialismus zu verteidigen, die die
gesamte Menschheit in den Abgrund reißt, wenn wir sie nicht
überwinden. In dieser Situation mit aller Ernsthaftigkeit vor einem
Dritten Weltkrieg zu warnen, ist kein Alarmismus, sondern eine
Verantwortung – auch in Sorge darum, dass unser Land zu einem
Kriegsschauplatz werden kann – eines Krieges, den weder wir noch
unsere Kinder überleben werden. Und deshalb müssen wir hier und
heute in Torgau den Schwur von Torgau mit Leben füllen und der
Regierung der Superreichen in Berlin deutlich sagen: Macht uns
Russland nicht zum Feind! Frieden mit Russland – das ist das Gebot
der Stunde!

Wir brauchen jetzt konkrete und abrechenbare Schritte, die
einerseits vertrauensbildend gegenüber Russland sind und
andererseits den Hauptkriegstreiber der Welt namens NATO nachhaltig
schwächen. Diese abrechenbaren Schritte heißen: Deutschland raus
aus der NATO – NATO-Soldaten und US-Atomwaffen raus aus
Deutschland!

Diese Forderungen zu erheben, heißt keineswegs der Illusion zu
erliegen, die Bundesregierung würde diese an sich ganz einfachen
Schritte freiwillig umsetzen. In diesem Sinne schließe mit mit
Brecht ab, der 1952 schrieb: „ (…) der Menschheit drohen Kriege,
gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie
werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller
Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden.“
Ich sage Euch zum 74. Jahrestag des Elbe Days: Zerschlagen wir den
Kriegstreibern in Berlin die Hände.



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