Büchel: Die Bundesregierung könnte, wenn sie wollte

Rede der DKP auf der internationalen Friedenskundgebung in Büchel

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde

Dass die Friedensbewegung zu solchen Aktionen gezwungen ist, das
hat ganz alleine die Bundesregierung zu verantworten. Sie ist es, die
seit Jahren – ja man muss schon sagen – Jahrzehnten, die
Atomwaffen in Büchel lässt, obwohl es ganz klar eine übergroße
Mehrheit in der deutschen Bevölkerung gibt, die sagt: Die Atombomben
müssen raus! Es gibt den Beschluss des Bundestages von 2010, auf den
wir oft verwiesen haben, der besagt, die Bundesregierung solle sich
mit Nachdruck bei der NATO und der US-Regierung für den Abzug
einsetzen. Nichts ist getan worden, um diesen Beschluss umzusetzen,
der ein windelweicher Beschluss ist. Windelweich, weil die
Bundesregierung die Atomwaffen sofort rausschmeißen könnte, wenn
der politische Wille da wäre. Aber warum fehlt der politische Wille?
Weil man es sich mit dem wichtigsten Bündnispartner, den USA, nicht
verscherzen will. Man will unter keinen Umständen die westliche
Bündnisintegration, die Einbindung in die NATO gefährden. Dafür
wird der Wille der Bevölkerung in unserem Land mit Füßen getreten!

Und dafür ist man seitens der Justiz, konkret des Amtsgerichts
Cochem auch bereit, Friedenskämpfer wie IPPNW-Arzt Ernst-Ludwig
Iskenius zu verurteilen, weil er Versammlungsleiter einer
angemeldeten Mahnwache für eine unangemeldete Aktion des zivilen
Ungehorsams von Friedensaktivisten Verantwortung getragen habe. Lasst
uns hier und heute auch ein deutliches Zeichen der Solidarität mit
Ernst-Ludwig und allen anderen Friedenskämpferinnen und
Friedenskämpfern setzen, die von Polizei und Justiz für ihr
Engagement bestraft werden!

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde, lasst es mich deutlich
sagen: Die Atombomben in Büchel, diese grausamen Waffen in den
Händen des US-Imperialismus und der NATO, das ist die Schande der
großen Koalition! Es ist aber auch die Schande aller ihrer
Vorgängerregierungen, die an diesem Zustand nichts ändern wollte.
Ja, ich rede hier auch von Parteien, die in der Opposition großspurig
vom Atombombenabzug reden, obwohl sie in der Vergangenheit selbst in
der Regierungsverantwortung nichts erreichen konnten oder wollten.

Wenn ich von „grausamen Waffen“ spreche, dann ist das
natürlich nur ein Teil der Wahrheit. Denn Waffen alleine existieren
„nur“ und töten niemanden. Ihre Gefährlichkeit entsteht erst
dadurch, dass Menschen sie einzusetzen wagen. Es braucht also einen
politischen und militärischen Willen, sie scharf zu schalten und im
Kriegsfalle abzuwerfen. Besteht dieser Wille heute in der
Bundesrepublik? Von der Beantwortung dieser Frage hängt viel ab –
nämlich ob es uns gelingt, den politischen Druck für einen Abzug
der Bomben aus Büchel zu erhöhen, oder ob die Beschwichtigung,
funktioniert, frei nach dem Motto „die tun nichts, die liegen da
nur in ihren Depots herum“.

Wir würden hier nicht stehen, wenn wir die Gefahr nicht für real
hielten. Und dafür haben wir wirklich gute Gründe. Denn wir leben
nicht in friedlichen Zeiten. Oberflächlich betrachtet könnte man
allerdings fast meinen, die aggressive, gegen Russland betriebene
Politik weiche allmählich einer neuen Entspannungspolitik. Fanden
nicht Entwicklungsminister Müller und Wirtschaftsminister Altmaier
bei ihren Besuchen in Moskau lobende Worte für die deutsch-russische
Zusammenarbeit? Werden nicht die Stimmen, insbesondere aus den
Landesregierungen Sachsens, Mecklenburg-Vorpommerns und
Niedersachsens immer lauter, die eine Normalisierung der Beziehungen
mit der Russischen Föderation einfordern? Mäßigende Stimmen aus
den eigenen Reihen der regierenden Parteien werden ganz schnell
zurückgepfiffen. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer stellte nach dem
Treffen von Sachsens Ministerpräsident mit Putin schnell klar, dass
Russland sich die Wirtschaftssanktionen selbst zuzuschreiben habe und
weiter bestehen bleiben sollen. Die Stichworte „Krim“ und
„Ostukraine“ scheinen dabei als Begründung auszureichen.

Völlig verschwiegen wird dabei das tatsächliche militärische
Gewicht Russlands, das kaum als Feindbild taugt. Zwar ist Russland
Nuklearmacht, seine Rüstungsausgaben betragen aber nur etwa ein
Zehntel des NATO-Budgets. Von einem militärischen Patt wie zu den
Hochzeiten des kalten Krieges, als jede Seite die Waffen des Gegners
qualitativ und quantitativ spiegelte, kann heute keine Rede sein –
auch wenn Russland versucht, mit neuen Waffenentwicklungen den Preis
eines potentiellen Angriffs durch den Westen hochzutreiben.
Politische Kräfte, die auf ein gut-nachbarschaftliches und
friedliches Verhältnis zu Russland setzen, spielen in der deutschen
Politik fast keine Rolle oder werden mit einem Maulkorb versehen.

Das gilt erst recht im internationalen Rahmen: Die deutsche und
die französische Regierung besitzen auch noch die Frechheit,
massiven Druck auf andere – meist wirtschaftlich und politisch
schwächere – Staaten in Europa auszuüben, wenn diese aus der
antirussischen und antichinesischen Linie auszuschwenken drohen. So
erging es Griechenland, so ergeht es jetzt Italien. Wer sich mit
Putin blicken lässt, dem droht schon bald der Ausschluss aus der
westlichen Wertegemeinschaft. Die italienische Regierung wird derzeit
wegen allem möglichen an den Pranger gestellt. Eine aus Sicht der EU
unbotmäßige Regierung, die schon den venezolanischen
Putschpräsidenten Guiado nicht anerkennen wollte und offen Front
macht gegen die Russlandsanktionen, wird nun als schlimmer
Menschenrechtsbrecher hingestellt. Dazu hat ausgerechnet die deutsche
Bundesregierung einfach kein Recht!

Und mit den Wirtschaftssanktionen gegen Russland einher gehen die
militärischen Drohgebärden gegen Russland.

Im Rahmen der US-Operation „Atlantic Resolve“ sind im
Januar/Februar erneut Konvois der US-Armee quer durch Europa Richtung
Osten gerollt. Im Zuge einer weiteren Truppenaufstockung führten die
Imperialisten in Washington mit Unterstützung aus Berlin und Brüssel
eine militärische Machtdemonstration durch. Die bereitwillige
Haltung der Bundesregierung, den US-Militärtransport über deutsches
Territorium zu bewilligen und zu unterstützen, ist ein Angriff auf
Frieden und Sicherheit in der Bundesrepublik!

Außerdem ist da die immer noch weiter gehende Osterweiterung der
NATO unter Bruch der Zusagen, die der Sowjetunion kurz vor ihrem Ende
gegeben wurden. Jüngst wurde der neu betitelte Staat Nordmazedonien
in die NATO aufgenommen. Als Drohung gegen Russland werden auch immer
wieder Georgien und die Ukraine ins Gespräch gebracht.

Um auf die Frage zurückzukommen, ob die Bomben hier in Büchel
nur schlafen oder ob sie eingesetzt werden können. Ja, liebe
Friedensfreundinnen und -freunde angesichts der immer weiter
zugespitzten Konfrontation mit Russland besteht die ernste Gefahr,
dass diese Bomben keine Museumsstücke sind, sondern für den Krieg
bestimmt. Auch jetzt schon ohne einen „heißen Krieg“ sind die
Bomben ein politisch-militärisches Druckmittel gegen Russland. Im
Verbund mit dem sogenannten Raketenabwehrschild in Polen, Tschechien
und Spanien, der sich prinzipiell für nukleare Bewaffnung eignet und
der nun erfolgten Aufkündigung des INF-Vertrages entfalten sie, ohne
bereits getötet zu haben, eine verheerende Wirkung. Russland und
alle anderen vom Westen bedrohten Staaten werden zu Gegenmaßnahmen
gezwungen, um die nukleare Erstschlagsfähigkeit der NATO zu
untergraben.

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

diese Aggressionsakte kommen zu dieser Zeit nicht zufällig. Sie
sind auch nicht alleine der Person Trump zuzuschreiben. In den
letzten eineinhalb Jahrzehnten haben sich die internationalen
Machtverhältnisse rasant verändert – ökonomisch, politisch und
militärisch. Ökonomisch haben die Länder des Westens, also vor
allem die USA, die EU und ihre Verbündeten herbe Verluste hinnehmen
müssen. Gleichzeitige holen einige Schwellenländer, allen voran
China und Russland auf. Die sogenannten BRICS-Staaten haben die
G7-Staaten wirtschaftlich überholt. Politisch und militärisch sind
die USA und ihre Verbündeten – vor allem die NATO – nicht mehr
der alleinige Herrscher – und das ist gut so! Russlands und Chinas
Rolle im Syrienkrieg zeigt, dass die anmaßende Weltherrscherrolle
des Westens nicht mehr absolut ist. Vor diesem Hintergrund bereitet
sich die NATO allerdings auf einen Rollback vor, um bildlich aber
auch geografisch gesprochen verloren gegangenes Terrain
zurückzuerobern.

Sollten diese Machenschaften der NATO für uns als
Friedenskämpferinnen und Friedenskämpfer ein Grund zur Mutlosigkeit
sein? Nein! Denn es gibt für die Kriegstreiber, egal welcher Partei
sie auch angehören ein klitzekleines Problem. Für uns ist das ein
Trumpf, den wir in der Hand halten:

Die Mehrheit der Menschen in unserem Land will ein
gut-nachbarschaftliches Verhältnis mit Russland!

Die Mehrheit der Menschen in unserem Land will hier keine
Atombomben haben!

Die Mehrheit der Menschen in unserem Land will nicht, dass 2
Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes für Rüstung ausgegeben
wird! Über 150 000 haben den Aufruf „abrüsten statt aufrüsten“
bereits unterschrieben – und es werden immer noch mehr.

Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,

lasst uns diesen Trumpf ausspielen. Lasst uns Kurs halten, wenn es
um die Atombomben und die Nuklearstrategie der NATO geht: „Abzug
der A-Bomben aus Büchel! Sofort und ohne weitere Bedingungen!“.
Die Bundesregierung könnte sofort einen Ausstieg aus der nuklearen
Teilhabe der NATO veranlassen und müsste dafür nicht einmal den
Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen.

Es muss endlich Schluss sein mit den immer neuen Provokationen
gegen Russland. Stattdessen brauchen wir vertrauensbildende
Verhandlungen zwischen NATO und Russland mit dem Ziel der
schrittweisen Abrüstung konventioneller und nuklearer Waffen! Die
Bundesregierung muss die neue Initiative Putins mit den USA über
eine Verlängerung des New-Start-Vertrags zur Begrenzung
strategischer Atomwaffen zu verhandeln unbedingt unterstützen!

Und sie muss gleichzeitig endlich aufhören, das deutsche
Territorium den USA als Waffenlager und Aufmarschgebiet zur Verfügung
zu stellen!



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