UN-Vertrag über das Verbot von Kernwaffen ratifizieren!

Nach Bremen und Berlin hat der Rheinland-Pfälzische Landtag einen Beschluss gefasst, sich für die Ratifizierung des UN-Vertrages über das Verbot von Kernwaffen stark zu machen. Würde der Vertrag in Deutschland geltendes Recht werden, wären auch die in Büchel stationierten US-amerikanischen Atomsprengköpfe Geschichte. UZ-Autor Ralf Hohmann zeigt die Hintergründe auf und im Anschluss dokumentieren wir die Pressemitteilung der “Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e. V.” (IPPNW). IPPNW, wie auch die DKP, beteiligen sich an der Kampagne “Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt”.

Die Front der Befürworter einer Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland bröckelt. Ende August hat der Rheinland-Pfälzische Landtag mit den Stimmen der SPD, der Grünen und der FDP die Landesregierung aufgefordert, „sich auf Bundesebene für eine deutsche Unterzeichnung und Ratifizierung des UN-Vertrages über das Verbot von Kernwaffen einzusetzen“. 46 deutsche Stadtparlamente haben seit Februar 2019 gleichlautende Beschlüsse gefasst. Die Bundesregierung hält indes weiter an der Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland fest. Der Koalitionsvertrag kennt keinen Skrupel: Kernwaffen gehören zum Konzept der NATO und somit hat „Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben“.

Der Atomwaffensperrvertrag, dem Westdeutschland
1969 beigetreten ist, soll der Weiterverbreitung von Kernwaffen einen
Riegel vorschieben. Jene Staaten, die nicht über „eigene“
Nuklearwaffen verfügen und mithin keine weitergeben können,
brauchen Sanktionen nicht zu fürchten. Die US-Militäradministration
lagert in Europa, also auf fremdem Territorium, mindestens 150
Wasserstoffbomben und zwar im deutschen Fliegerhorst Büchel, im
niederländischen Volkel, in Belgien (Kleine Brogel) und in Italien
(Aviano und Ghedi-Torre). Nach der NATO-Diktion hat demzufolge
Deutschland nur „Teilhabe“, keine Verfügungsgewalt. Angesichts
der bilateralen Vereinbarungen, nämlich dass die USA die Atomwaffen
stellt und das Stationierungsland die Flugzeuge und Mannschaften
(Militär-Jargon: „NATO Nuclear Sharing“).

Anders als der Atomwaffensperrvertrag knüpft der
im Jahr 2017 von 122 Staaten angenommene Atomwaffenverbotsvertrag an
den Gedanken der bedingungslosen Ächtung jeglicher Atomwaffen an –
ähnlich den völkerrechtlichen Verboten von Chemiewaffen und
biologischen Kampfstoffen. Jeder Umgang mit den entsprechenden
Waffensystemen ist darin untersagt, einschließlich der Lagerung
fremder Kernwaffen. 26 Staaten haben bereits den Vertragsinhalt in
geltendes innerstaatliches Recht überführt, darunter Kuba,
Venezuela und Vietnam. Der Atomwaffenverbotsvertrag hat zwar generell
völkerrechtliche Qualität, eine tatsächliche Bindungswirkung
entfaltet er allerdings nur für die Staaten, die ihn ratifiziert
haben.

Sämtliche NATO-Mitgliedsstaaten aber erklärten
geschlossen, ein solches Verbot von Kernwaffen sei abzulehnen.
Deutschland hielt es noch nicht einmal für nötig, eine Delegation
zu den Beratungen des Verbotsvertrages zu entsenden – hatte sich
Westdeutschland doch schon im NATO-Vertrag von 1949 als nukleare
Lagerstätte angeboten. Durch Paragraf 16 Kriegswaffenkontrollgesetz
mit dem vielsagenden Titel „Nukleare Aufgaben im Nordatlantischen
Bündnis“ stellte der Bundesgesetzgeber klar, dass Kernwaffen der
NATO auf deutschem Gebiet ausdrücklich keinem Verbot unterfallen und
verlieh dem Ganzen durch Bezug auf Artikel 26 Absatz 2 Grundgesetz
die verfassungsrechtliche Weihe.

Ignorant hieß es in einer Pressemitteilung der
NATO zum Atomwaffenverbotsvertrag: „Solange Atomwaffen existieren,
wird die NATO ein nukleares Bündnis bleiben“. Die NATO stellt sich
damit gezielt und bewusst außerhalb des Völkerrechts. Die Ziele der
NATO gehen für den deutschen Imperialismus dem Völkerrecht vor,
will man doch im internationalen Schlagabtausch auch atomar ein
gewichtiges Wörtchen mitreden dürfen. Das sichert nämlich zugleich
die Profite deutscher Finanzmonopole: Laut Jahresbericht des Portals
„Don´t bank on the bomb“ (Verlass dich nicht auf die Bombe)
beteiligten sich Deutsche Bank, Commerzbank und Allianz von 2014 bis
2017 in einem Gesamtvolumen von knapp 9 Milliarden US-Dollar an
Investitionen in die Kernwaffentechnik. Längst vergessen ein anderes
vollmundiges Bekenntnis: Im „2+4-Vertrag“, der den Weg zur
Annexion der DDR freimachte, heißt es in Artikel 3 „Die
Regierungen der BRD und der DDR bekräftigen ihren Verzicht auf
Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare,
biologische und chemische Waffen. Sie erklären, dass auch das
vereinte Deutschland sich an diese Verpflichtungen halten wird“.
Verzicht auf Besitz und Verfügungsgewalt über Nuklearwaffen? Das
Dogma der „nuklearen Teilhabe“ bedeutet das Gegenteil, nämlich –
spätestens im Kriegsfall – über Massenvernichtungsmittel verfügen
zu können. Sind es nicht deutsche Tornados, die die Atomsprengköpfe
ins Ziel tragen sollen? Werden nicht die Soldaten des Taktischen
Luftwaffengeschwaders 33 in Büchel gerade zu diesem Zweck
ausgebildet? Prüft etwa nicht aktuell das Verteidigungsministerium
den Kauf von rund vierzig US-amerikanischen Boeing-F18-Kampfjets, die
den ab 2021 in Büchel zur Lagerung vorgesehenen neuen Kernwaffentyp
B61-12 mit der vierfachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe
transportieren sollen?

Die Lagerung der US-Atomwaffen ist völkerrechtswidrig.


IPPNW: Rheinland-Pfalz unterstützt Atomwaffenverbot

Die Friedensorganisationen
ICAN und IPPNW begrüßen den heutigen Beschluss des
rheinland-pfälzischen Landtages für das Atomwaffenverbot. Darin wird die
Landesregierung aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine deutsche
Unterzeichnung und Ratifizierung des UN-Vertrages über das Verbot von
Atomwaffen einzusetzen. Nach den freien Städten Bremen und Berlin ist
Rheinland-Pfalz damit das erste Flächenbundesland, das die Ziele der
Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) teilt.
Der Antrag wurde von den an der Landesregierung beteiligten Parteien
FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebracht und heute Abend
beschlossen.

Im rheinland-pfälzischen Büchel sind im Rahmen der nuklearen Teilhabe Deutschlands zwanzig US-Atomwaffen stationiert. Damit macht sich Deutschland auch zum strategischen Ziel in einem nuklearen Konflikt. Dass nach dem Ende des INF-Vertrages bereits ein erneuter Rüstungswettlauf begonnen hat, zeigt der jüngste US-Raketentest vom 18. August 2019, der unter dem INF-Vertrag verboten gewesen wäre.  Daher ist es umso wichtiger, dass sich Städte und Landesparlamente des Risikos durch Atomwaffen bewusst sind und sich für nukleare Abrüstung einsetzen. Denn Atomwaffen sind konzipiert, um Menschen und Infrastruktur gigantischen Schaden zuzufügen. Die sogenannte nukleare Abschreckung basiert auf der Drohung, die wichtigsten Orte eines Landes auszulöschen.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte bei der Debatte im Landtag dazu: “Angesichts dieser Weltlage ist es, finde ich, ein Gebot der Stunde, dass sich alle staatlichen Instanzen und die Zivilgesellschaft zum Thema Abrüstung und einem Stopp des Wettrüstens wirklich bekennt, sich einsetzt und auch darüber spricht. Dies gilt auch für Rheinland-Pfalz.” Und weiter: “Heute ist es wichtig, dass sich neben der Zivilgesellschaft wie ICAN auch die Parlamente sich positionieren”.

„Der Beschluss des Landtags in Rheinland-Pfalz ist ein deutliches Zeichen an die Bundesregierung: Das Risiko der Folgen eines Atomwaffeneinsatzes ist nicht tragbar. Deshalb sollte die Bundesregierung endlich den Abzug der US-Atomwaffen aus Rheinland-Pfalz beschließen und dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten“, erklärt ICAN-Mitglied Heidi Kassai.

Bisher haben neun Landeshauptstädte – Berlin, Bremen, Düsseldorf, Hannover, Mainz, München, Potsdam, Schwerin und Wiesbaden sowie 37 weitere Städte – den ICAN-Städteappell unterzeichnet und sich damit zu dem UN-Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen bekannt. Weltweit haben bereits Städte wie Hiroshima, Nagasaki, Washington, Los Angeles, Manchester, Sydney, Toronto, Genf und Oslo den Appell unterzeichnet.



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