Rechtsbeugung ohne Skrupel

Beate Landefeld zur Haltung der EU und des Bundestages zu Venezuela

Beim laufenden Putschversuch in Venezuela will die internationale Konterrevolution mit dem selbsternannten Interimspräsidenten Guaidó eine Gegenregierung installieren. Mit Wirtschaftskrieg, politischem Druck der USA, der EU, rechter Nachbarregierungen und durch Anheizen innerer Unruhen soll Guaidó einen relevanten Teil der Armee auf seine Seite ziehen. Trumps Haudegen Bolton und Pompeo sowie sein Einflüsterer Rubio, ein republikanischer Senator für Florida, der sich als Exilkubaner ausgibt, haben Guaidós Putschversuch von langer Hand mit vorbereitet. Bisher sind nur vereinzelt Armeeangehörige den Lockrufen der „Opposition“ gefolgt. Der Putschversuch dürfte sich daher in die Länge ziehen. Nach der Verfassung müsste ein Interimspräsident, wäre er legitim, innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen durchführen. Dafür wollen die USA ihrer Marionette Guaidó die der venezolanischen Erdölgesellschaft PDVSA im Wirtschaftskrieg geraubten Mittel zur Verfügung stellen.
Während die US-Regierung schon des Öfteren signalisierte, dass sie „alle Optionen“, inklusive der militärischen, „auf dem Tisch“ habe, lehnen die Guaidó stützenden rechten Nachbarregierungen die Invasion Venezuelas bisher ab, wohl aus Furcht, dass dies nicht ohne eine Destabilisierung ihrer eigenen Länder abginge. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini verkniff sich die Anerkennung Guaidós, da Griechenland und Italien nicht zustimmten. Ersatzweise stellten sieben Willige, darunter Deutschland, Frankreich und Venezuelas Ex-Kolonialmacht Spanien, Maduro das Ultimatum, er solle binnen einer Woche die Neuwahl des Präsidenten ansetzen. Venezuelas Außenminister Arreaza nannte das im UN-Sicherheitsrat „fast schon kindisch“. Maduro schlug stattdessen die Neuwahl des Parlaments vor. Der EU-Ministerrat will 90 Tage lang Verhandlungslösungen für Venezuela suchen. Das EU-Parlament, das in der Außenpolitik nicht mehr zu sagen hat als das oppositionelle Parlament Venezuelas, beschloss, Guaidó sei der „einzig rechtmäßige“ Interimspräsident Venezuelas.
Zwischen der Anerkennung Guaidós, Ultimaten und Rufen nach einer „Verhandlungslösung“ bewegte sich auch die Aktuelle Stunde des Bundestags zu Venezuela. Niemanden störte es dabei, dass Guaidó und Trump Verhandlungen als „Zeitverschwendung“ ablehnen. Gegen den Verdacht eines Redners der Partei „Die Linke“, es gehe den Befürwortern eines Regime Change nicht um Demokratie, sondern um Öl, verwahrten sich CDU, CSU, FDP und SPD mit der Beteuerung, es gehe ihnen vor allem um Rechtsstaatlichkeit gemäß der venezolanischen Verfassung. Jürgen Haardt (CDU/CSU): „Die Verfassung Venezuelas steht auf der Seite des Parlaments und des Parlamentspräsidenten. Den entsprechenden Artikel 233 hat der Bundesaußenminister bereits zitiert: Der Parlamentspräsident ist Interimspräsident, solange es keinen demokratisch gewählten Präsidenten gibt“ (Protokoll bei amerika21).
Falsch. John Laughland vom konservativen Ron Paul Institute (USA) weist darauf hin, dass in Wirklichkeit Guaidó gegen Artikel 233 verstößt. Artikel 233 nennt präzise sechs Umstände, unter denen die Amtszeit eines Präsidenten gekürzt werden kann: Tod, Rücktritt, Amtsenthebung durch das Oberste Gericht, medizinisch formell festgestellte und von Parlament und Oberstem Gericht bestätigte Krankheit, Amtsverzicht durch Verschwinden, Absetzung durch ein Referendum. Tritt einer dieser Fälle ein, geht das Präsidentenamt laut Verfassung an die Stellvertreterin des Präsidenten, nicht an den Parlamentspräsidenten. Nur falls ein Präsident keine Amtseinführung absolviert hat, kann der Parlamentspräsident übergangsweise übernehmen.
Maduros Amtseinführung war am 10. Januar. Die „Rechtsstaatlichkeit“ der Mehrheiten in EU-Parlament und Bundestag erweist sich wieder einmal als Bluff gegenüber der eigenen Bevölkerung, die die venezolanische Verfassung nicht kennt. Die Verfassunggebende Versammlung Venezuelas antwortete der EU, „dass keine ausländische Autorität und kein kolonialistisch aufdringliches Organ mit imperialen Absichten das Recht hat, sich in die inneren Angelegenheiten unseres Heimatlandes oder in die souveränen Entscheidungen einzumischen, die das venezolanische Volk durch demokratische, freie, universale, direkte und geheime Wahlen trifft, wie sie am 20. Mai 2018 durchgeführt wurden und bei denen Nicolás Maduro Moros für die Amtszeit 2019 bis 2025 zum Präsidenten der Republik gewählt wurde“ (Red Globe).

Erschienen in der UZ vom 8. Februar 2019



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